9. Etappe: Astrachan – Atyrau – Übergang nach Asien

Am nächsten Tag geht es für mich alleine nach Kasachstan. Das Highlight war eine Schwimmbrücke über den Fluss Buzan. Ich glaube, das war die allererste Schwimmbrücke der Menschheit.

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Kein Element scheint wirklich zum anderen zu passen. Teilweise sind mehrere Zentimeter Höhenversatz vorhanden. Einzelne Autos haben Schwierigkeiten durchzukommen. Meine Maschine hat scheinbar Spaß. Sie rattert nur so durch. Ganz nach dem Motto: „Nach mir die Sintflut! Dann hat das Leid der Brücke endlich ein Ende.“
Der Grenzübertritt nach Kasachstan ist von der Sorte unspektakulär. Ich kann es gar nicht glauben, als es nach zwei Kontrollstationen heißt: Gute Fahrt! Nene, da ist noch irgendwo einer versteckt. Ich kenn euch. Hoffnung machen und dann der große Schlag. Aber nichts. Einige Meter nach der Grenze weiß ich dann auch wieso. Die Straßen sind so schlecht, da kommen wirklich nur die her, die das wirklich müssen. Knapp 300 km fiesester Schlaglochteppich bis nach Atyrau. Naja, wenn schon die Landschaft nichts zu bieten hat, dann wenigstens die Fahrbahn. Ab und zu treffe ich auf kleine Kamelgruppen und mehrere (wilde) Pferde. Ein Fohlen traut sich ganz nah an die Straße. Ich fahre dran vorbei und halte ca. 20 Meter später. Eventuell kann ich ein gutes Bild machen. Wohl der Vater des Fohlens ist davon nicht so begeistert. Langsam aber bestimmt kommt er auf mich zu. Ich entscheide mich spontan, auf das Bild zu verzichten.
In Atyrau angekommen, will ich nur noch ins Bett. Schnell noch Geld abheben und etwas essen. Plötzlich spricht mich einer an, ob mir die Maschine draußen gehört. Ich dreh mich um, um mich zu vergewissern, ob sie noch dasteht. Positiv. Also kann ich die Frage bis auf Weiteres bejahen. Farid ist begeistert. Da sein Englisch nicht sehr gut ist, ruft er einen Freund an, der übersetzen soll. Zusammen essen wir etwas. Farids Freund, Alex, ist von der Sorte Mensch, die die Pläne anderer genau kennen wollen, um dann seinen Segen zu geben. Ansonsten dürfe man nicht fahren. Ich bin von der Sorte Mensch, mich dann auf naiv zu stellen, um Menschen wie Alex besonders intensiv leiden sehen zu können. Irgendwann kapiert er es wohl.
Farid lädt mich zu sich bzw. seinen Eltern ein. Oje, nochmal so eine Erfahrung wie in der Ukraine? Nene, keine Vorurteile. Du willst auch nicht mit einer ganz dunklen Zeit Deutschlands konfrontiert werden, wenn Du als Deutscher erkannt wirst…wie u.a. an der kasachischen Grenze: „German! Gittler!“ „Gittler??“ „Yes, Gittler.“ dann fiel mir ein, dass es im Russischen kein „H“ gibt.
Ok. Auf zu Farids Familie. Ne, noch nicht. Verzögerung. Es haben sich ein paar Jungs um meine Maschine versammelt, die sich mit Machoposen verewigen lassen wollen. Armes, armes Töfftöff. Man kann sich seine Fans nicht immer aussuchen.
Jetzt aber wirklich. So, und jetzt beginnt Gastfreundschaft auf Kasachisch. Da braucht man starke Nerven. Alle sehr besorgt. Aber unglaublich nett. Keine Minute ohne etwas zu essen oder zu trinken.
Wehe, man fasst es nicht an: Dann schmeckt es nicht und es muss was anderes, besseres her.
Wehe, man isst es auf bzw. trinkt es aus: Dann schmeckt es sehr gut und es muss mehr her.
Ein bisschen was übrig zu lassen, hilft auch nicht. Das wird nach kurzer Zeit weggenommen und es ist Platz für was Neues.
Wie lautete nochmal mein Wunsch bei der Ankunft in Atyrau? Richtig, schlafen. Ausgeschlossen. Ich werde zwar regelmäßig gefragt, was ich möchte. Ich antworte regelmäßig, nichts weiter außer schlafen, aber das zählt nicht. Es wird der längste Abend meiner Reise. Farid meint dann gegen 2 Uhr, er müsse jetzt aber wirklich ins Bett, denn er muss am Morgen in die Arbeit. Danke.
Am Morgen bringt mich sein Vater mit Mutter und Neffe zum Stadtrand, damit ich meine Reise wie geplant fortführen kann. Das erste Mal mit eigenem Motorrad in Asien!

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Irgendwie kam es zwischen Mitternacht und Zubettgehen nicht wirklich rüber, dass ich mir noch die Stadt anschauen will, etwas einkaufen muss und mein Visum registrieren lassen muss. Also wieder zurück. Europa! Die Visaregistrierung ist nicht so einfach. Ich werde von einer Stelle zur nächsten geschickt. Asien! Europa! Asien! Irgendwann entscheide ich mich, mich in ein Hotel einzuquartieren, um etwas Schlaf nachzuholen und die Registrierung von dort aus durchführen zu lassen. Europa! Naja, war ein Satz mit x. Ich muss selbst zur Behörde, aber das Hotel weiß, wo es geht und stellt mir einen Mitarbeiter zur Seite. Asien! Allerdings dauert das ganze Prozedere einen halben Tag. Somit wird es noch eine Nacht mehr hier. Europa!
Mann, war ich schon oft mit dem Motorrad in Asien!
Dafür ist das Essen ganz gut hier.

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Eine Antwort auf „9. Etappe: Astrachan – Atyrau – Übergang nach Asien“

  1. Meine Gedanken beim letzten Bild – hmm, lecker. Aber ich dachte Du hast am Abend davor soviel gegessen, dass Du noch nicht mal schlafen konntest (oder durftest 😉

    Keep on rolling

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