Offroad zu einer Geisterstadt

Bevor ich eine Stadtbesichtigung von Timisoara mache, bin ich im Betrieb von Doru. Er hat eine kleine Produktionsfirma für Kabelschutz- und Abwasserkanäle. Voller Stolz präsentiert er mir das Areal und seine selbst entworfenen Maschinen. Sämtliche Kanäle werden aus recyceltem Material hergestellt. Nach der Betriebsbesichtigung geht es in die geschichtsträchtige Stadt, die Ausgangspunkt der Dezemberrevolution 1989 war.

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Die Menge der historischen Gebäude ist beeindruckend. Leider sind die meisten in solch schlechtem Zustand, dass nur selten der Charme von „Klein-Wien“, wie Timisoara auch genannt wurde, aufkommt. Insgesamt gibt es hier noch viel zu tun, was sicherlich für Doru und seiner Firma von Vorteil sein darf. Tatsächlich besteht ein Mangel an Arbeitskräften. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 4%. Jedoch liegt der Durchschnittslohn bei umgerechnet 300 €. Die Lebenshaltungskosten sind dagegen nicht so niedrig. Das merken wir dann auch an der Tankstelle, als wir unsere Maschinen für eine kleine Tour volltanken. Der Liter Benzin kostet umgerechnet 1,50 €. Günstiger als in Deutschland, aber verhältnismäßig viel für die niedrigen Löhne. Ziel ist eine kleine Geisterstadt, die nur über eine leichte Offroad-Piste erreichbar ist. Training für Kirgistan und die Mongolei! Aber zuerst geht es an einen alten Erholungsort, der selbst so wirkt, als bräuchte sie Erholung. Doru und seine Frau waren hier vor über 20 Jahren das letzte Mal. Seitdem wurde auch nichts mehr gemacht. Leider kann man das hier in der Region viel zu oft sehen: Eigentlich schöne Dörfer mit netten Gebäuden verfallen zusehends. Darunter fällt aber nicht der Schotter- bzw. Lehmweg, den wir zur Geisterstadt fahren. Der war wohl noch nie besser. Die eingestürzte Kirche ist Zentrum der alten Ortschaft, die mal aus über 300 Häusern bestand. Jetzt sind es noch drei. Eine Flutkatastrophe in den 1960er Jahren läuteten das Ende ein. Anschließend stellte die damalige Regierung die Strom- und Wasserversorgung ab und zwang die restlichen Bewohner die Ortschaft zu verlassen.
Nicht weit von dort liegt „Klein-Deutschland“. Welch Name denke ich mir. Damit wäre so manch einer in der Vergangenheit nicht zufrieden zu stellen gewesen. Der Weg dorthin ist abenteuerlich. Doru zeigt in eine Richtung. Ich erkenne keinen Weg und zeige auf einen Pfad. Er verneint und beharrt, dass wir in die gezeigte Richtung fahren. Also durch einen Wald. Kein Problem. Wird schon gehen. Irgendwann erkennt man tatsächlich Fahrspuren. Diese gleichen dann immer mehr und mehr einem ausgewaschenen Bachbett. Das wird schon heikler. Einmal verfängt sich mein Vorderrad in einer halben Meter tiefen Fahrrinne, aber nach beherztem Lupfen geht’s auch schon wieder weiter nach Altringen, wo wir bei einem alten Donauschwaben einkehren. Weiter nach Charlotenburg… und „Klein-Deutschland“ ist durchquert.

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2 Antworten auf „Offroad zu einer Geisterstadt“

  1. cooler Ausflug, den Du da beschreibst – und ich habe jetzt gelernt, dass Temesvar die erste elektrische Straßenbeleuchtung Europas hatte – das kommt bestimmt mal beim Jauch als 1 Mio-Frage dran 🙂
    aber eine Frage hätte ich doch noch: was machen Romulus und Remus in der Gegend von „klein-Deutschland“?

    1. Romulus und Remus sind ein Geschenk der Stadt Rom an Temeswar gewesen. War glaub ich in den 1920er Jahren. Übrigens nochmals in Brasov bzw. Kronstadt gesichtigt.

      Schöne Grüße
      Christian

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